SPRACH-SKIZZE ZU DEN BILDERN VON WERNER SEBASTIAN HÖPFLINGER

Von Dr.phil. Elke Krafka - Gekürzte Fassung

I. Konzept

Werner Sebastian Höpflinger folgt beim Arbeiten einzig seinen Vorstellungen und Impulsen, die stark genug sind, auf oberflächlich verbalisierte Theorien verzichten zu können. Seine Bilder sind eine Synthese aus intellektuellem Denken, aus Erleben und Sinnlichkeit, und sie wollen zuerst vom Künstler selbst, später vom Betrachter erdacht, erlebt, erfühlt – sinnlich wahrgenommen - werden.

II. Farbe

Augenfällig und auffällig an den Bildern von Werner Sebastian Höpflinger ist die ausgeprägte Farbigkeit, klar und leuchtend, teilweise großflächig, aber nie monochrom. Farbflächen werden untergliedert und strukturiert. Die Farbe unterstützt die Form oder sie löst sie auf. Der Farbauftrag offenbart eine diffizile Farbstruktur, die räumlich wirkt. Die Farbe wird zum Licht, tritt aus dem Malgrund, kommt auf den Betrachter zu und lädt ein zum Dialog mit dem Bild.

III. Form

Farbe und Form korrespondieren. So wie klare und eindeutige Farbigkeit bereits in der Farbstruktur und im Auftrag differenziert werden, so werden runde organische Formen abrupt durch gerade Linien, bohrende Keile und Dreiecke an ihrer harmonischen Eingänglichkeit gestoppt. Die Formen leben von der gegenläufigen Bewegung, von der Verschiebung und Unterbrechung. Spannungsbögen und Balancepunkte werden angelegt, um sie an Widerhaken und Widerbolden aufzulösen. Die Gegensätzlichkeit ist gewollt und beabsichtigt, die Unterbrechung der Unterbrechung ist eine bewusst eingesetzte Störung der Harmonie.

IV. Raum

Die plane zweidimensionale Leinwand ist Malgrund für die Bilder, die dreidimensional wirken und dem Betrachter räumlich erscheinen. Licht und Farbigkeit lassen mit der organisch-unorganischen Form einen imaginären und imaginierbaren Raum entstehen, der den Blick auf die scheinbar dahinterliegende oder sich davor befindliche Welt freigibt. Die Farbflächen treten optisch hervor oder führen in die Tiefe, in eine Welt jenseits der Leinwand und des Materials. Diese Welt ist nicht greifbar real, sie ist Erzeugnis der Phantasie und Imagination.

V. Horizont, Drehpunkt, Fluchtpunkt

Werner Sebastian Höpflingers Bilder haben einen Horizont – einen tiefen, einen schrägen oder einen künstlichen Horizont wie beim Fliegen, wenn sie überhaupt einen haben. Der Horizont unterstützt den komplizierten Bildaufbau, er gliedert und unterteilt; er unterbricht Bewegungen und erzeugt neue. Dort, wo es keinen Horizont gibt, übernehmen Dreh- und Fluchtpunkte eine ähnliche Funktion: Drehpunkte sind Balancepunkte, die das Zentrum der Bewegung im Bild darstellen. Während Drehpunkte Zentrum oder Ausgangspunkt fragiler Beweglichkeit sind, sind Fluchtpunkte – jetzt nicht als Terminus der Zentralperspektive gedacht – Punkte innerhalb oder außerhalb des Bildes, zu denen die Bildbewegungen fliehen und flüchten. Diese Bewegungen sind kraftvoll, dynamisch, dezidiert. Manchmal sind Fluchtpunkte Explosionspunkte.

VI. Bewegung, Explosion, Stillstand, Balance

Bewegung und Bewegungslosigkeit werden ausgereizt bis zu ihren jeweiligen Grenzen. Expressivität, Explosion, Dynamik stellen kraftvolle Beweglichkeit dar, denen der vorgegebene Rahmen nicht mehr zu genügen scheint. Der Gegensatz dazu ist die Bewegungslosigkeit, der Stillstand. Zwischen beiden Extremen entsteht ein indifferenter Schwebezustand, leicht und zerbrechlich, der nur aufrechterhalten wird, wenn sich alle vorhandenen Kräfte im vollkommenen Gleichgewicht zueinander befinden. Dieser Ausgleich ist die Balance, ein Ausdruck des Schwebens, der Störbarkeit andeutet und signalisiert. Rhythmus und Bewegung, Leichtigkeit und Fragilität lassen ahnen, dass die Schwerkraft möglicherweise überwindbar ist und mit ihr vielleicht auch die Naturgesetzlichkeit – es ist ein Teil des Menschheitstraumes von der unendlichen Freiheit und dem Leben ohne Grenzen.

VII. Leere

Weiße Flächen sind leere Flächen. Aber hier ist Leere nicht Ausdruck eines Mangels. Die Leere, die nichts darstellt, muss Spannungen ausgleichen, aufgreifen, unterstützen. Die weiße Leere ist Ausdrucksträger, und bei genauem Hinsehen erkennt man auch hier Farben und Formen – nur in leisen Farbtönen, lasiert und diaphan erscheinend.

VIII. Wissen und Unwissen. Weltenschweben

Es ist gänzlich unmöglich, die Welt als Ganzes erfahren zu wollen. Wenn nun ein Bild gesehen wird, so ist dies ein fremder Blick auf eine andere fremde Welt – und alles im Wandel begriffen. Nähern wir uns dem einen Detail, verlieren wir den Zugang zum anderen. Hier setzt die Arbeit des Künstlers ein, sich in unzähligen Versuchen den verschiedenen Aspekten der Wrklichkeit zu nähern, Details sichtbar zu machen, Balanceakte zu vollführen zwischen Geniestreich und Absturz und schwebend Spuren zu verfolgen, die einen Zugang zur Wirklichkeit erahnen lassen.

IX. Gegenstand des Ungegenständlichen

Was stellt ein Bild dar, nachdem es der Künstler aus dem Atelier entlassen hat, wenn das Dargestellte weder gegenständlich ist noch das Abstrakte für sich beansprucht? Das Unbekannte erzeugt Angst, es verunsichert. Die Annäherung an den Gegenstand des Ungegenständlichen wird also kompliziert und herausfordernd, sobald die eindeutige Bestimmbarkeit fehlt.

X. Entstehung eines Bildes

Unabhängig vom rein physischen Entstehen eines Bildes – der Maler lebt, der Maler denkt, der Maler malt – entsteht das Bild im Kopf des Betrachters. Jedes Bild entsteht in jedem Kopf entsprechend anders und immer wieder neu. Das Material, das sind Leinwand und Farbe, existiert real, die ideelle Vollendung ereignet sich in der Phantasie – und die Malerei ist der Auslöser einer Art Imagination, die lebensnotwendig ist, und die ohne sie nicht möglich wäre.